IN UNSERER NACHBARSCHAFT 02

Das Café Rabie –

Text von Kamar und Mohamed.

 

Seit einem Jahr gibt es ein neues Café an der Wichlinghauserstraße; Es hat einen schönen, großen Gastraum, ein Aquarium und einen Außenbereich im Hinterhof, wo die Gäste in einem Zelt rauchen können oder im Sommer unter freiem Himmel sitzen…

Der Besitzer heißt Ramez, und er kommt aus Syrien. Er hat das Café ganz alleine nach seinen Ideen dekoriert und so erinnert vieles an seine alte Heimat. An der Wand sieht man arabische Landschaften, Gebäude und Sehenswürdigkeiten, die nicht nur aufgemalt sind, sondern auch mit Gips modelliert wurden. Einen Springbrunnen gibt es auch!

Ramez ist 41 Jahre alt und kommt aus Homs, einer Stadt aus dem Westen von Syrien. 2014 ist er von dort vor dem Krieg geflohen. – Auf seiner Flucht über das Mittelmeer hatte er große Angst um sein Leben und fühlte sich dabei sehr einsam ohne seine Frau und seine Kinder. Ramez spricht nicht gerne darüber und möchte die Erinnerungen daran am liebsten vergessen. Seine Frau und die drei Kinder konnten ihm später nach Deutschland folgen. Die jüngste Tochter Lian ist erst nach der Flucht

in Deutschland geboren und hat Syrien nie kennen gelernt. Ramez hofft, dass seine Kinder hier endlich die Heimat finden, die er selber nicht hatte, denn Ramez galt auch in Syrien bereits als Flüchtling. Sein Großvater kam aus Palästina dorthin, und obwohl Ramez Vater und er selbst in Syrien geboren worden sind, galten sie nie als Syrer, sondern immer noch als Palästinenser. Das steht auch in seinem Ausweis. Darum lebte er damals mit seinen Eltern in einem palästinensischen Quartier. – Ramez hofft, dass seine Kinder in Deutschland niemals so ausgegrenzt werden, wie es in Syrien den Palästinenser oftmals ergeht und erging. Darum freut ersieh besonders darüber, dass seine Kinder schon so gut deutsch sprechen und gut in der Schule klarkommen. Ihm selber fällt die neue Sprache und die Schrift viel schwerer. Hinzu kommt noch das Heimweh, die Sehnsucht nach dem Rest der Familie und seinen Freunden… Ramez möchte auf jeden Fall zurück nach Syrien, sobald der Krieg endlich vorbei ist und seine Kinder alt genug sind, um ihr eigenes Leben in Deutschland zu führen.

Ramez fühlt sich zwar wohl und sicher in Wichlinghausen, dennoch vermisst er seinen Alltag und sein Café, dass seine Lebensgrundlage in Syrien gewesen ist. Das Wetter war viel schöner, man kannte alle Menschen in der Nachbarschaft und die Art zu leben, war trotz aller Probleme freier und einfacher. Sein Café war zudem sehr beliebt und die Menschen kamen nicht nur um dort zu essen und zu trinken, sondern holten sich dort auch Getränke und Speisen für zu Hause oder ihre Geschäfte.

Abgerechnet wurde dann einmal die Woche, weil man sich gut kannte und vertraute. Dieses Vertrauen und diese Art des Miteinanders fehlt Ramez sehr. Er weiß aber auch, das es hier in Deutschland noch Zeit braucht, um dieses Vertrauen, Bekanntschaften und Freundschaften neu aufzubauen. Daher ist er manchmal etwas ungeduldig. Doch das wichtigste: Hier geht es allen gut, die Familie hält zusammen und man ist weit weg von Krieg und den damit verbundenen Ängsten!

Das Café Rabie ist also für Ramez ein weiterer Schritt in die Zukunft, und es bedeutet für ihn und seine Familie einen neuen Anfang. – Aus diesem Grund hat er auch den Namen gewählt: Denn Rabie bedeutet Frühling und ist der Name des Lieblingsonkels seiner Tochter. Mit dem Frühling beginnt das Wachstum und alles entsteht neu. –

Genau das richtige Symbol für Ramez und seine Familie!

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