Agora | Wenn Jugendkultur politisch wirkt

Agora | Wenn Jugendkultur politisch wirkt

Wolf und Ich haben uns mal wieder aus dem Quartier gewagt, um euch ein vielversprechendes und unterstützenswertes Projekt außerhalb der Mirke zu präsentieren. Ab ging es also mit dem Rad in den Wuppertaler Osten. Hier treffen alltäglich Menschen aus fast 100 Nationen, mit verschiedenen Kontexten, und unterschiedlichen Hintergründen aufeinander. Das Projekt »Agora« macht sich diese Vielfalt zu eigen und schafft im Rahmen von urbanen Mikrofestivals Raum für Kultur, Austausch und Debatte. Wir haben uns mit Leonard und Yannik alias Cyrill und Jayjo auf dem Vorplatz des BOB Campus getroffen, um mehr über ihr Projekt, ihr zukünftiges Vorhaben und die kürzlich gestartete Crowdfunding-Kampagne zu erfahren.

(v.l.) Cyrill und Jayjo | Foto von Wolf Sondermann

Leonard alias Cyrill ist einer der Initiatoren und Projektleiter der Agora. Er absolvierte sein freiwilliges soziales Jahr in einem Musikverein, gibt darüber hinaus Musik-Workshops und veröffentlicht seit 5 Jahren unter seinem Künstlernamen Musik. Yannik ist ein weiterer Initiator und Projektleiter der Agora. Er stieß über gemeinsame Freunde im letzten Sommer zum Projekt hinzu, und ist in der lokalen Musikszene unter dem Alias Jayjo bekannt.

Agora ist ein Projekt. Agora ist eine Einstellung und ein Phänomen zugleich.
Das Wort leitet sich aus dem altgriechischen ἀγορά/agorá ab und steht für den Marktplatz bzw. den Ort der alltäglichen Versammlung. Hier trafen schon in der Antike Menschen aufeinander, tauschten sich über ihre Leben aus, wurden politisch aktiv und betrieben Handel. Angelehnt an diesen Gedanken etablierte sich im letzten Jahr auch die Agora in Wuppertal – ein offenes und urbanes Festival, dass sich den Disziplinen des Hip-Hops (Rap, DJing, Breackdance und Graffiti) widmet und den Austausch zwischen Menschen auf eine kreative Weise fördern soll. Im Rahmen der Wuppertaler Agora wird das Konzept von einem festen Ort gelöst – Agora wird somit vielmehr zum Ausruf eines Orts zum Raum des Austauschs. Auch wenn die Agora bis dato stark im Osten Wuppertals verankert ist, strebt das Team um Cyrill und Jayjo es an, auch andere Stadtteile Wuppertals zu besuchen.

Aber wie kam es eigentlich zur Etablierung dieser Idee?
Die ursprüngliche Idee für das Projekt entspringt Cyrills Tätigkeit als FSJler in einem Musikverein. Nachdem er seinen Dienst abgeschlossen hat etablierte er mithilfe der Projektleiterin des »Internationalen Bunds« (IB), Karla Spennrath, die Grundlagen der heutigen Agora. Angelehnt an die antike agora entwickelten sie gemeinsam mit weiteren jungen Menschen aus der Szene und dem Wuppertaler Osten die Idee einer modernen Agora auf dem Vorplatz des BOB. Im Sommer 2020 fanden dann unter coronabedingten Auflagen die ersten Veranstaltungen im Sinne einer Cypher statt. Eine Cyper ist ein Zusammenkommen verschiedener Rapper*innen, die abwechselnd improvisierte oder vorbereitete Texte auf Beats vortragen. Ursprünglich wurden diese Cypher genutzt, um das eigene Können vorzuzeigen und das Gegenüber künstlerisch herabzuwürdigen – natürlich lediglich im Sinne der Disziplin, und nicht als Angriff auf Persönlichkeit. In der Agora wurde die Cypher allerdings ein wenig zweckentfremdet und mit politischen Thematiken aufgeladen über die gerappt wird. Die einzelnen Thematiken fanden unter gewissen Überschriften statt, die den inhaltlichen Ablauf der Agora formten. So fanden Veranstaltungen zu den Themen: „Stadt & Gesellschaft“, „Krieg & Freiheit“, „Geld & Konsum“ und „Wissen & Macht“ statt. Cyrill und Jayjo berichten, dass die Veranstaltungen im letzten Jahr von der Nachbarschaft hervorragend angenommen wurden. Trotz der geringen zugelassenen Teilnehmer*innenzahl herrschte ein reges und lebendiges Treiben auf dem Vorplatz des BOB. Die Inhalte der einzelnen Veranstaltungen wurden anschließend zusammengetragen und in einem Gespräch mit dem damals amtierenden Oberbürgermeister Andreas Mucke angesprochen. Cyrill und Jayjo betonten, dass es ihnen wichtig war sich nicht vertrösten zu lassen, sondern ihr Anliegen wahrhaftig zu platzieren und den Lokalpolitiker*innen dessen Gewicht zu verdeutlichen. Gemeinsam kämpfen sie symbolisch für ihr Gehört werden und die Daseinsberechtigung auf der Bühne. Im Zuge der Sommermonate entstanden außerdem weitere Livestreams und das Format „Realrap“. Im Rahmen dessen befragten sie Anwohner*innen in Oberbarmen und Wichlinghausen, wie sie sich Arbeit und Kultur in Zukunft vorstellen. Die gesammelten Beiträge wurden zu einer Art Song zusammengesetzt, den Cyrill uns im Laufe des Interviews zeigt. Der anstehende Winter, und die damit einhergehende zweite Welle der Pandemie, verunmöglichte die vorab durchgeführten Projektarbeiten und Veranstaltungen jedoch fortwährend. Die Projektgruppe zog mit dem essentiellen Equipment in einige Container am Schwarzbach und arbeitet seit dem von dort aus. Hier produzieren sie ein Album und ihre T-Shirts, die im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne erworben werden können. Des Weiteren brach die Trägerschaft des IB ein. Sie konnte allerdings durch eine neue Verbindung zum »Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater« aufgefangen werden. Darüberhinaus unterstützt das Quartiersbüro VierZwoZwo und der BOB Campus das Vorhaben der Agora.

Foto von Wolf Sondermann

Ein weiteres Merkmal der Agora und ihrer Organisation ist das junge Team, dass sich um die Umsetzung kümmert und auch selbst im Rahmen der Veranstaltungen aktiv auftritt. Gerade die Hip-Hop Kultur ist unter Jugendlichen weit verbreitet. Während Deutschrap und Hip-Hop vor 20 Jahren noch ein reines Nischenprojekt darstellte, erlebte die Szene in den letzten Jahren deutschlandweit ein nicht enden wollendes Hoch. Kein Wunder, dass die Agora gerade mit diesen Thematiken junge Wuppertaler*innen erreicht. Jayjo und Cyrill haben das Gefühl, dass die Jugendlichen wesentlich ehrlicher auf sie zugehen als auf die Politiker*innen die sich ab und an in den Quartieren blicken lassen. Gerade das führt dazu, dass sie ihnen ihre Anliegen und Wünsche mitteilen, die im Rahmen der Agora ein Sprachrohr und Debatte finden. Die Organisator*innen wie Cyrill und Jayjo erscheinen den Jugendlichen als Vorbilder und teilen ähnliche Hintergründe, gleiche Interessen und den Ursprung in der selben Szene. Cyrill ist der Überzeugung, dass die allgegenwärtige Konfrontation der Jugend mit den großen Themen der Gegenwart, wie z.B. dem Klimawandel, dazu führt, dass die Jugendlichen im Rahmen von Projekten wie der Agora, Orte der Vernetzung und des gemeinsamen Wirkens finden. Agora ist damit auch Selbstermächtigung gegenüber Strukturen, denen ansonsten nur mit Ohnmacht begegnet werden kann.

Aber auch die ca. 20 Jungendlichen die sich rund um das Organisationsteam der Agora versammelt haben und damit fortwährend an der Weiterentwicklung des Projekts beteiligt sind, haben durch die Umsetzung etwas lernen können. Um diesen Prozess zu verstetigen und auch nachhaltige Effekte der Agora zu etablieren, haben sie vor einigen Tagen eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Mit den finanziellen Mitteln, die hier gesammelt werden, soll die Grundlage für eine gemeinnützige Genossenschaft geschaffen werden, die Agora zu einer festen Institution werden lässt. Damit einher geht auch der Gedanke die Agora nicht an einen festen Ort zu binden, sondern das Konzept dezentral aufzuziehen. Das ermöglicht es die vielfältigen Perspektiven der Jugendlichen aus dem ganzen Stadtgebiet und darüber hinaus zu vereinen, und neuen politischen Konsens zu schaffen. Die Agora könnte damit zu einem*einer aktiven politischen Akteur*in werden, die gezielt mit Anliegen auf Politiker*innen zutritt. Das verändert, laut Cyrill, vor allem die Gewichtung und Möglichkeit der Anliegen gegenüber den Politiker*innen.

Foto von Wolf Sondermann

Woher die Motivation kommt, mag sich manch eine*r fragen? Cyrill und Jayjo erzählen, dass die alltäglich mit großen und kleinen Missständen und Schicksalen in der Gesellschaft konfrontiert sind. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, oder einfach den eigenen Kopf durchzusetzen, wollen sie gemeinsam etwas bewegen und Vorbild sein. Wolf und meine Wenigkeit verneigen uns vor solch einem Tatendrang und Engagement!

Agora ist ein wirklich unterstützenswertes Projekt, dass die Möglichkeit inneträgt der diversen Jugend Wuppertals ein politisches Gehör zu verschaffen. Hier darf debattiert, gelernt, gelebt und gemacht werden – solche Räume sind erhaltenswert. Falls du deinen Beitrag dazu leisten möchtest, kann du hier bis zum 19. Mai in die Crowdfunding-Kampagne schauen und das Projekt ggf. finanziell unterstützen. Du hast keine finanziellen Mittel über aber würdest gerne Teil des Orgateams werden? Dann schreib Agora einfach auf ihrem Instagram-Account [Instagram]. Außerdem findest du hier weiter Infos und die Möglichkeit langfristig über das weitere Tun des Projekts informiert zu [Facebook & Instagram | Youtube].

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